Max Lazarus, Blick durch Portafenster auf St. Gangolf, 1926
Max Lazarus. Trier – St. Louis – Denver. Ein jüdisches Künstlerschicksal
21. März bis 27. Juni 2010
Max Lazarus gehörte zu den bedeutendsten Trierer Künstlern der Vorkriegszeit und war darüber hinaus einer der gefragtesten Synagogenmaler im westlichen Teil Deutschlands.
Seine Lebensgeschichte ist charakteristisch für die vieler jüdischer Menschen, es ist eine Geschichte von erzwungener Emigration aus der Heimat, vom Verlust geliebter Menschen, von der Zerstörung einer hoffnungsvollen Karriere und von einer zerrissenen Familie.
Die Familie des Künstlers lebte bereits seit Generationen in Trier. Der Vater betrieb hier – schräg gegenüber der alten Synagoge – einen Holz- und Kohlenhandel. Am 12. Juli 1892 wurde Max Lazarus als erstes von 7 Kindern geboren.
Nach dem Besuch der Israelitischen Volksschule wurde Max Lazarus bei einem Dekorations- und Kirchenmaler in Trier in die Lehre gegeben. Begleitend zur Lehre besuchte er die Malklasse bei Prof. August Trümper in der Gewerblichen Fortbildungs- und Gewerbeschule Trier. Weitere Stationen seiner Ausbildung waren die Kunstgewerbeschule Düsseldorf, die Kunstakademie München, die Großherzogliche Kunstgewerbeschule Weimar und die Reimann-Schule in Berlin. Offenbar schöpfte er alle Möglichkeiten aus, um sich an den fortschrittlichsten Institutionen der damaligen Zeit weiterzubilden.
Für die so genannte „Verschollene Generation“ bedeutete der Erste Weltkrieg einen Einschnitt in ihre künstlerische Laufbahn. Max Lazarus wurde an der Westfront eingesetzt und kehrte 1918 schwer krank zurück. Er machte sich zunächst als Dekorationsmaler selbständig und gehörte im Juli 1920 zu den Mitbegründern der „Trierer Künstlergilde“, der ersten Vereinigung Trierer Künstler. Bereits in den Ausstellungsbesprechungen jener Zeit klingt an, was auch von späteren Rezensenten immer wieder besonders hervorgehoben wurde, nämlich seine herausragenden Fähigkeiten als Kolorist, seine realistische Wiedergabe von Licht- und Luftstimmungen und sein außerordentliches Geschick im Umgang mit der Temperatechnik.
Neben der Tafelmalerei betätigte sich Max Lazarus in den 1920er-Jahren noch auf einem anderen Gebiet, nämlich als Monumentalmaler. Mit der Ausmalung der Synagoge in Merzig 1921/22 begründete er seinen Ruf als Synagogenmaler. Es folgten Aufträge für die Wandgestaltung der Synagogen in Trier und Langen/Hessen. Er schuf Wandmalereien in Lübbecke und Neumagen-Dhron, Homburg/Saar, Thalfang, Herford und Elberfeld. Im Gegensatz zu den Landschaften, Stillleben und Porträts, die ihn als großartigen und feinsinnigen Koloristen auszeichnen, aber in keiner Weise seine religiösen Wurzeln spüren lassen, manifestieren sich in diesen Monumentalmalereien sein jüdischer Glaube und sein profundes Wissen über dessen Symbole und Inhalte. Alle diese Synagogen wurden im Rahmen der Reichspogromnacht 1938 oder später durch Kriegseinwirkungen zerstört.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Max Lazarus als Jude nicht in das „Reichskartell der bildenden Künste“ aufgenommen und somit vom öffentlichen Kulturbetrieb ausgegrenzt. Der zunehmende Druck auf die jüdische Bevölkerung veranlasste ihn schließlich, im September 1938 seine geliebte Heimat zu verlassen und mit seiner Frau und seiner Tochter in die USA zu fliehen. Ein Onkel und drei seiner Schwestern, denen die Flucht nicht gelang, wurden mitsamt ihren Familien ermordet.
Max Lazarus ließ sich mit seiner Familie in St. Louis nieder und konnte einen ersten Erfolg für sich verbuchen, als im Frühjahr 1939 eines seiner Gemälde für die große Kunstausstellung der Weltausstellung in New York ausgewählt wurde. Max Lazarus wurde noch im gleichen Jahr in die „St. Louis Artists’ Guild“ aufgenommen. Er wurde mit einer ersten Einzelausstellung gewürdigt, erhielt sehr gute Besprechungen und schien sich gerade in St. Louis zu etablieren. Doch dann zwang ihn eine schwere Tuberkulose, in das klimatisch günstiger gelegene Denver umzusiedeln, wo er fast zwei Jahre in einem Sanatorium verbrachte. Nachdem er Ende Juli 1944 als geheilt galt, bekam er dort eine Anstellung als Kunstlehrer im Rahmen der Rehabilitationsprogramme.
Es gelang ihm jedoch nicht mehr, in Denver als Künstler Fuß zu fassen. Zum einen existierte mancherorts eine nicht nur unterschwellige antisemitische Haltung, zum anderen etablierte sich nach dem Krieg mit der Abstraktion eine völlig neue Kunstrichtung. Max Lazarus befand sich mit seinem expressiven Realismus zwischen den Fronten der Modernisten und der Konservativen und konnte nie mehr an seine früheren Erfolge anknüpfen. Im August 1954 kehrte Max Lazarus noch einmal in seine Vaterstadt Trier zurück. Er starb am 6.12.1961 in Denver.
Die Eröffnung seiner Ausstellung im Stadtmuseum Simeonstift im März 2010 war ein besonderes und ergreifendes Ereignis: Sie wurde zu einer großen Familienzusammenführung, denn Norma, die 2017 verstorbene, damals 86-jährige Tochter des Künstlers, reiste mit ihrer Tochter eigens aus den USA an, um die erste Einzelausstellung ihres Vaters in Trier zu erleben. So wie ihre ebenfalls aus den USA angereiste Cousine, deren Eltern in Auschwitz ermordet worden waren, hatte sie seit ihrer Emigration keinen Fuß mehr auf deutschen Boden gesetzt. Zur Eröffnung trafen sich Familienmitglieder aus den USA, Luxemburg, Frankreich, der Schweiz und aus Israel teilweise nach über 70 Jahren zum ersten Mal wieder und dieses Mal konnten sie mit vielen positiven Eindrücken und Erinnerungen aus Trier abreisen.