Elmar Hubert (*1963), TR
Ein großes, undefinierbares Stahlobjekt steht im Raum mit Öffnungen und Ausbuchtungen, die an Fühler erinnern. Gewaltig in der Masse und doch feingliedrig, einem Skelett gleich. Es wirkt schwer durch die Größe und das Material und ist doch scheinbar in Bewegung, da die Beine wie Tentakeln nur zum Teil den Boden berühren. Fast tänzerisch bekommt das Objekt dadurch eine gewisse Leichtigkeit. Elmar Hubert schafft Wesen wie aus einer anderen Welt. 2020 konnte man schon eine Skulptur namens Bionica im luxemburgischen Esch-sur-Alzette bewundern, die gleichfalls trotz ihrer Schwere und Größe sehr fragil und natürlich wirkt. Die Wissenschaft der Bionik hatte ihn zum Namen inspiriert, ein Thema, mit dem er sich auseinandergesetzt hat: Neues erfinden, inspiriert von Phänomenen der Natur. In der Bionik geht man davon aus, dass sich die Natur im Laufe der Evolution optimal angepasst hat. Seine hier ausgestellte Skulptur Auswandern wohin? ist eigens für den Kunstpreis Robert Schuman entstanden und hat eine Höhe von über 2,50 Metern. Man würde nicht vermuten, dass es sich bei dem Koloss, neben dem künstlerischen Aspekt, auch um ein Anliegen für den Umweltschutz handelt. Tatsächlich möchte der Künstler mit der überdimensionierten Größe auf die allerkleinsten Mitbewohner dieses Planeten hinweisen. Radiolarien, Strahlentierchen und andere Mikroorganismen stehen am Beginn der Nahrungskette. Viele sind durch die Versauerung der Meere bedroht, ausgelöst durch den höheren Kohlendioxidgehalt, der vor allem durch das Verbrennen der fossilen Rohstoffe entsteht. Kalkbildende Organismen bekommen Schwierigkeiten bei der Bildung ihrer Schalen und Skelette. Die Gefahr der Umweltzerstörung bedroht also schon die Kleinstlebewesen und betrifft auch uns. Somit bezieht sich der Titel Auswandern wohin? auch auf Menschen, die aufgrund ihrer veränderten Lebenslage auswandern müssen. Radiolarien schweben normalerweise im Wasser, Elmar Huberts Skulptur hingegen bewegt sich am Boden – hier hat eine Anpassung bereits stattgefunden.
Spaltung. Der zweite Beitrag zum Kunstpreis ist wieder stark vom gesellschaftspolitischen Kontext geprägt und ergibt sich aus der bloßen Betrachtung. Auf einem kleinen Sockel ist eine Holz-Stele mit leichten Rundungen aufgestellt, die mit einer Abdeckung in Form einer Bischofsmütze endet. Die Figur besitzt, in der Formsprache wie auch von der Größe her (2 Meter und 65 kg Gewicht), menschliche Züge. Ein Bezug zur Kirche ist nicht von der Hand zu weisen. Auf der einen Seite geht eine Spaltung von der Mütze bis tief ins Holz, auf der gegenüberliegenden Seite nicht. Janus, der römische Gott, erscheint hier in seiner Doppeldeutigkeit. Er ist der Gott allen Ursprungs, des Anfangs und des Endes. Er ist das Symbol für Dualität und Zwiespältigkeit schlechthin. Er zeigt, dass allem Guten auch immer etwas Böses innewohnt. Das Phallussymbol kommt nicht von ungefähr. Das feste Gefüge einer großen gesellschaftlichen Institution mit Bezug zu Gott hat einen Riss bekommen, er ist unübersehbar und hat eine menschliche Dimension erreicht.