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Gwendal Coulon (*1990), METZ

In triefender Schrift ziehen sich sarkastische Statements über die Aquarelle: J’pense à toi, C’est le regardeur qui fait l’oeuvre, Chaque jour je perds des followers (Ich denk an dich, Der Betrachter macht das Werk, Ich verliere jeden Tag Follower). Reality makes me sick – Macht tatsächlich die Realität uns krank, oder vielmehr die Tatsache, dass wir täglich tausende Male über das Display unserer Smartphones streichen? Auf die Leinwand geworfen, bringen die „kleinen Fenster zur Welt“, wie Gwendal Coulon sie spöttisch nennt, uns zum Nachdenken und machen die Immaterialität der Welt der sozialen Netzwerke fassbar, indem sie uns die Absurdität unserer Beziehungen vor Augen führen. Der Künstler fordert uns fröhlich auf, unsere Augen auf diese geöffneten Fenster zu richten, um uns unsere Art zu leben, unsere Abhängigkeit, unsere Knechtschaft vor Augen zu zeigen, und macht uns auf diese Weise unsere enorme Verletzlichkeit bewusst. Gwendal Coulon hat das Konservatorium absolviert und ist Musikwissenschaftler.

Er widmet sich der Auseinandersetzung mit den performativen Herausforderungen, mit denen sich Betrachter*in und Musiker*in konfrontiert sehen. Versteckt hinter seinem Mikro, die Brust beschienen von Neonschriftzügen, simuliert der Künstler in einem Dekor aus Gips und Papier einen Bühnenauftritt. Er liefert sich mit Humor und Feingefühl den Blicken aus und zieht uns in das große Spiel des Detournements hinein. Die Inszenierung ist eine Illusion, die Show hat begonnen. Man weiß nie, was einen erwartet. Gwendal Coulon spielt sich selbst und schmückt sich mit den Widersprüchen seiner Rolle als Künstler. Unter der Komik einer gestellten Situation bricht das gesamte System zusammen. Hinter den schauspielerischen Einlagen verbirgt sich ein Mensch mit weichem Herz, der mit einfachen Gesten und Liebe zum „do it yourself“ die Stimme erhebt und seine Ideen zugänglich macht – und sei es im Playback. Mit seinen Objekten und seinen „Live“-Auftritten schafft Gwendal Coulon ein hybrides und demokratisches Genre, indem er allen Wunschvorstellungen ein Ende setzt und dem Spott Tür und Tor öffnet.

Vanessa Gandar