Barbara Wagner, Brasília Teimosa, 2006
fototagetrier 2010: LEBEN elementar
13. November bis 12. Dezember 2010
Die „fototagetrier 2010“ fanden vom 13. November bis 12. Dezember 2010 erstmals an gleich vier verschiedenen Standorten in Trier statt. Unter dem Motto „Leben elementar“ wurden Arbeiten international renommierter Fotokünstler präsentiert, die sich mit zeitgenössischen gesellschaftlichen Problemen und grundlegenden Fragestellungen des Alltags auseinandersetzen. Die Schauplätze verteilten sich über das gesamte Stadtbild, neben dem Stadtmuseum Simeonstift beteiligten sich auch das Bischöfliche Dom- und Diözesanmuseum, die Viehmarktthermen und der historische Frankenturm an dem für Trier einzigartigen Großprojekt.
Mehr als 120 Arbeiten von insgesamt 13 Künstlerinnen und Künstlern waren in der Ausstellung des Stadtmuseums Simeonstift zu sehen. Die Künstlerliste umfasste bekannte Fotografen aus aller Welt, Künstlerinnen und Künstler aus zwei Generationen, darunter etablierte Größen wie Thomas Florschuetz, Michael Wesely oder Rut Blees Luxemburg. Daneben gab es aber auch noch unbekannte, junge Aufsteigerinnen und Aufsteiger zu entdecken.
Zu den internationalen Größen zählt sicherlich Rut Blees Luxemburg (* 1967). Die heute in London lebende Fotografin stammt eigentlich aus Trier. Das Stadtmuseum Simeonstift besitzt bereits vier außergewöhnliche Ansichten der Moselstadt von ihr. Denn die Stadt, der öffentliche Raum ist Blees Luxemburgs Hauptmotiv. Typisch für sie sind Aufnahmen von menschenleeren Straßenzügen, Gebäuden oder Plätzen, die oft in ein diffuses, meist grün-golden schimmerndes Licht getaucht sind, das der Szene eine poetisch-sakrale Stimmung verleiht. Außergewöhnlich ist auch die Perspektive, wenn Blees Luxemburg beispielsweise aus dem 12. Stock hinaus einen Parkplatz fotografiert oder den beeindruckenden Blick in das Gewölbe einer gotischen Kirche festhält. Die Perspektive gerät zum Schwindel erregenden Sog, die Gebäude erscheinen monumental, oft uneinnehmbar. Obwohl Blees Luxemburg ihre Motive „auf der Straße“ findet, bezeichnet sie ihre Arbeit selbst nicht als street photography. Sie bevorzugt die Bezeichnung der public photography. Denn im Gegensatz zu anderen Kunstschaffenden zeigt sie keine Szenen des alltäglichen Lebens, sondern konzentriert sich stattdessen auf den öffentlichen Raum. Ihr exaktes Auge schärft auch den Blick des Betrachters und lenkt ihn auf bislang unbeachtete Details im Stadtbild. Die eigene Wahrnehmung einer Stadt verändert sich.
Ein anderer im Stadtmuseum Simeonstift vertretener Künstler war Michael Wesely (* 1963). Der in Berlin arbeitende Fotograf ist vor allem für seine extrem lange Belichtungszeit bekannt. Zu seinen aufwendigsten Aufnahmen zählen beispielsweise die der Baumaßnahmen am Potsdamer Platz, die er bis zu 26 Monate belichtete. Für eine solche Arbeitsweise ist ein hoher technischer Aufwand erforderlich. Die Kamera muss extrem stabil verankert sein, damit eine Bildschärfe gewährleistet ist. Im Bild fixiert wird lediglich, was sich nicht verändert. Menschen oder Tiere erscheinen je nach Bewegungstempo nur als durchsichtige Schatten. In der Ausstellung ist Wesely mit drei großformatigen Aufnahmen Venedigs vertreten, deren Belichtungsdauer er im Titel exakt mit angibt. Weselys Thema ist damit die Zeit. Das, was lange andauert, fest steht und sich nicht verändert, ist klar und deutlich zu erkennen. Alles, was vergänglich ist und vorbeieilt, wirkt wie eine flüchtige Andeutung. Wesely gelingt damit die Visualisierung von Geschichte, das Sichtbarmachen der vergehenden Zeit.
Mit Thomas Florschuetz (* 1957) war auch ein international bekannter Altmeister der Fotografie im Stadtmuseum Simeonstift vertreten. Florschuetz arbeitet oft mit der Verfremdung, die er vor allem durch Fragmentierung und extreme Vergrößerungen erreicht. Seine künstlerische Arbeit begann in den 1980er-Jahren mit Aufnahmen des eigenen Körpers, den sogenannten „Körperbildern“. Einzelne Detailaufnahmen zieht Florschuetz zu Großformaten hoch und setzt sie zu neuen Ensembles zusammen. Zwei seiner Triptychen waren im Stadtmuseum ausgestellt. Das eine gruppiert Detailaufnahmen seiner Finger um eine Vergrößerung seines Auges, das andere zur Faust geballte Hände um einen Ausschnitt des Gesichts. Der Betrachter sieht sich hier mit dem überdimensionalen Künstlerpart konfrontiert. Das Motiv wird verfremdet und zu einer neuen, eigenständigen Bildkomposition.
Ansonsten waren bedrückende Schwarz-Weiß-Fotografien von Straßensituationen in Afrika von Akinbode Akinbiyi (* 1946), in übernatürlicher Farbigkeit leuchtende Blumenstillleben von Eliška Bartek (* 1950), Architekturfotografien von Rossella Biscotti (* 1978) und Kevin Van Braak (* 1975) sowie eine einfühlsame Werkgruppe von Elinor Carucci (* 1971) aus Selbstbildnissen und Porträts ihrer Familie ausgestellt. Das Spektrum reicht weiter von flüchtigen Momentaufnahmen Venedigs von Lina Kim (* 1965) über Porträtserien von Knut Wolfgang Maron (* 1954) und Phillip Toledano (* 1968), die das Altern thematisieren, bis hin zu altmodisch wirkenden Raumsituationen von Edith Maybin (* 1969) mit ihrer Tochter. Luzia Simons‘ (* 1953) Stillleben in stark kontrastierenden Schwarz-Weiß-Aufnahmen bereicherten zudem die umfangreiche Schau.