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Tingting Wei (*1987), METZ

Man hört ein dumpfes, leises Knacken. Es wiederholt sich, einmal, zweimal, und wird lauter. Der Ton kommt von einem Kassettenrekorder, dessen Spulen sich langsam drehen. Hinter Glas, abgeschirmt von anderen Geräuschen, spielt das Gerät eine orchestrierte Symphonie, komponiert aus den Kaugeräuschen von Schnecken. Man sieht die Tiere nicht, unsere Aufmerksamkeit gilt allein dieser Melodie in einer kaum hörbaren Frequenz. Man sieht vor seinem inneren Auge schwere Schnecken, wie sie übereinander her über ein Salatblatt kriechen und in aller Ruhe verspeisen. Man müsste sich hinlegen, auf den Boden und direkt neben eines dieser Weichtiere, um, mit etwas Glück, zu hören, wie sie atmen oder übers Gras kriechen, dessen Halme sich unter ihnen biegen. Mit dieser Arbeit mit dem Titel Le bruit des escargots mangeant des légumes 9’59” (Das Geräusch Gemüse fressender Schnecken 9’59”) eröffnet Tingting Wei uns eine einzigartige Erfahrung: dem Kauen von Schnecken zu lauschen. Tingting Wei widmet sich mit Neugier und Bescheidenheit einer künstlerischen Praxis, die sich durch ihren Humor und ihre Poesie auszeichnet und sich aus einfachen, alltäglichen Gesten formiert. In ihren Videos, Installationen und Zeichnungen beschäftigt sie sich mit der Wiederholung und Monotonie von Gewohnheiten, um darin das Wesen der Dinge und jener kleinen Nichtigkeiten neu zu entdecken, aus denen sich unsere natürliche und kulturelle Umgebung zusammensetzt. Ihre Arbeit bringt uns dazu, die uns umgebende Welt aufmerksam zu beobachten, jene zahllosen Zeichen und Objekte, die wir im Alltag verwenden, ohne sie wahrzunehmen. Sie entwickelt eine neue Form der Alltagsbeschreibung, die Einladung an uns ist, unsere eigene Existenz neu zu denken und pfleglich mit der Welt umzugehen, in der wir leben.

Vanessa Gandar