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David Ebner (*1988), TR

Sein und Nichtsein, wirklich und unwirklich könnte die Kunst von David Ebner überschrieben werden. Er spielt mit der Transformation von Vorgegebenem und Hinzugefügtem und präsentiert diese Veränderungen auf verschiedenste Art und Weise. Die erste Installation besteht zu einem Teil aus Beton. Der abgerundete blanke Zylinder sieht wie eine Bombenhülse oder wie eine Kopfform aus. Tatsächlich erinnert er an die DaDa-Figur von Raoul Hausmann von 1919. Der Mechanische Kopf wird auch Der Geist unserer Zeit genannt. „Ich wollte den Geist unserer Zeit zeigen, den Geist eines jeden Menschen in seinem rudimentären Zustand.“ (R. H.) Der Titel Tarnbunker belehrt uns eines Besseren, jedoch passt das Zitat aus der Zeit kurz nach dem Ende des 1. Weltkrieges trotzdem in unsere heutige Wirklichkeit. Warum sonst kreierte Ebner ein Bunkermodell und lässt Assoziationen zu? Die Form dazu hatte er gefunden, verändert und mit Beton gefüllt. „Die Funktion dieses so außergewöhnlichen Bauwerks besteht darin, das Überleben zu gewährleisten, ein Schutzraum für den Menschen in einer kritischen Periode zu sein, der Ort, an dem er sich verkriecht, um weiter zu existieren…“ (Paul Virilio, Bunkerarchäologie) In einer Welt, in der der Mensch in die natürlichen Prozesse eingreift, hinterfragt der Künstler die Zusammenhänge. Ein Baumstamm, wie wir ihn kennen, wird künstlich mit feinen Ästen versehen. Die Hilfsmittel zur Befestigung, Nagel und Draht, sind sichtbar. Bläuliche kleine Blätter sind ebenfalls mit Draht befestigt. Sie sind aus Blei geformt und biegen durch ihr Gewicht die natürlichen Äste nach unten. Blätter aus Blei heißt diese Arbeit. Verspielt liegt der Stamm auf dem Boden. Oft dekorieren wir Zweige für verschiedene Festtage, doch hier möchte die Last des künstlichen Eingriffs doch auf etwas anderes hinweisen. „Unscheinbare destruktive Schwere“ nennt David Ebner die Tatsache, dass hier ein gewaltsamer Eingriff vorgenommen wurde, der uns im Grunde genommen gar nicht bewusst ist. Dieses Motiv lässt sich auch in seinen weiteren Arbeiten erkennen. Die von David Ebner genutzten naturnahen und vorgefundenen Materialien weisen kunsthistorische Bezugspunkte zur italienischen Arte Povera auf – eine Bewegung der späten 1960er-Jahre. Während Arte Povera sich auf natürliche Materialien und die Verwendung von Alltagsgegenständen konzentrierte, erweitert David Ebner dieses Verständnis und fügt seinen Werken Elemente der Medienkunst hinzu. Neben reinen Video-Arbeiten findet auch Klang als Werkmaterial Verwendung.

Die Video-Arbeit Schwebende Spaltung zeigt einen Detailausschnitt einer Hochgeschwindigkeitsaufnahme, die in Slow-Motion abgespielt wird. Zu sehen ist die Spaltung eines Holzstückes, das durch einen Motor mittig geteilt wird. Der Bildausschnitt wurde von David Ebner rasterähnlich arrangiert, farbig bearbeitet und läuft stark verlangsamt als filmischer Endlosloop. Die Verlangsamung der Spaltung intensiviert die Wahrnehmung des Brechens und kreiert einen nahezu zeitlosen Raum, in dem die Auflösung stattfindet. Das Naturmaterial Holz ist den Kräften eines Industriemotors ausgesetzt und bildet die Auflösung ins Vergängliche ab.

Die Klang-Arbeit Luftstrom setzt sich mit der Stimme als Werkmaterial auseinander. Hierfür verwendet der Künstler Aufnahmen von Anleitungen zu Entspannungstechniken wie beispielsweise Yoga, Meditation oder Box-Breathing und arrangiert die Sequenzen zu einer Soundcollage um. Mit zunehmender Dauer ist festzustellen, dass Eingriffe am Ausgangsmaterial vorgenommen wurden. So nehmen im Zeitverlauf die Verfremdungen der Aufnahmen zu, die durch Audio-Effekte, Verlangsamung und Überlagerung erzielt werden. Neben der klanglichen Verfremdung greift Ebner auch in die zeitliche Abfolge ein und dehnt die Atembewegungen zunehmend aus. Das Klangstück beginnt optimistisch, freundlich, verfällt jedoch zunehmend und verformt sich zu einer düsteren, bedrohlichen Soundcollage. Das Nachahmen der Atem-Übung wird so unmöglich. David Ebner hinterfragt die Maschinerie hinter Optimierungs-Ansprüchen, Self-Care und Wellbeing und überspitzt die Herangehensweise des ständigen Drangs nach Verbesserung in der Wohlstandsgesellschaft. Die vier eingereichten Arbeiten unterscheiden sich auf den ersten Blick rein formal, da es sich um Objekte, Video und Klang-Arbeiten aus unterschiedlichen Materialien handelt. Doch   betrachtet man die Verarbeitung und Inszenierung genauer, werden Parallelen erkennbar. Alle Arbeiten unterliegen einem prozesshaften Vorgehen. Dies wird durch die Verwendung und Umdeutung von vorgefundenen Gegenständen erkennbar. Neu-Belebung und Aufwertung finden statt. Gleichzeitig bleibt der zynische Blick auf die Folgen der Eingriffe: Die Schwere von Blei und Beton mahnt, eine Bedrohung ist nicht auszuschließen.

Bettina Ghasempoor